Im Rückspiegel: Unimog – der Alleskönner wird 70
Nicht immer verlaufen Karrieren wie geplant. Am Anfang des Universal-Motor-Geräts stand die eigentlich eher provinzielle Idee, nach dem Zweiten Weltkrieg ein vielseitig einsetzbares Gefährt für die deutsche Landwirtschaft zu entwickeln. Einen weltweiten Erfolg dieser einmaligen Konstruktion für den ländlichen Raum konnte sich vor sieben Jahrzehnten beim besten Willen niemand vorstellen. Aus dem eher sperrigen Namen wurde schnell der Unimog, der sich für seine Nutzer bald zu einem unverzichtbaren Begleiter und im Laufe der Zeit zu einer Art Familienmitglied entwickelte.
Die Geschichte des Alleskönners begann vor 70 Jahren, als der erste noch
in Handarbeit gefertigte Serien-Unimog die Fertigung der Boehringer
Werkzeugmaschinen GmbH in Göppingen verließ. Da lagen bereits 150
Bestellungen vor, die ein halbes Jahr zuvor beim ersten Auftritt des
Fahrzeugs auf einer Landwirtschaftsmesse in Frankfurt eingesammelt
worden waren.
Hinter dem Unimog stand der ehemalige Chefkonstrukteur und technische
Direktor bei Daimler-Benz, Albert Friedrich, der nach dem Zweiten
Weltkrieg auf Anweisung der Alliierten seinen Arbeitsplatz räumen
musste. Bereits 1945 überzeugte er die US-Militärverwaltung, ihm die
Entwicklung eines Fahrzeugs für den landwirtschaftlichen Einsatz zu
gestatten. Allerdings stellten die Amerikaner damals die Bedingung, dass
der Unimog nicht für militärische Zwecke eingesetzt werden durfte. Der
Mann wußte genau, was die Landwirte benötigten, hatte er doch seine
Jungend auf dem Hof seiner Familie verbracht.
Diese Erfahrungen ließ er in das Konzept des Unimog einfließen und entwickelte am Ende ein mobiles Gerät, das in seiner Vielseitigkeit das berühmte Schweizer Offiziersmesser bei weitem übertrifft. Im Unimog-Prospekt sind allein 60 verschiedene Anwendungsgebiete genannt, und wahrscheinlich gibt es noch einige mehr. Dabei reichen die Einsatzgebiete vom Flächenmulchgerät über Feldspritze und Triomäher bis zum Pflanzlochbohrer.
Für Arbeiten im Gleis lässt sich der Unimog zum Schienenfahrzeug
umrüsten, und die optionale Wechsellenkung Vario Pilot ermöglicht den
Wechsel vom Links- zum Rechtslenker. Die Spurweite von 1270 Millimetern
orientierte sich anfangs an zwei Kartoffelreihen, und gleichzeitig besaß
Friedrichs Entwicklung Allradantrieb mit Differenzialsperren,
schraubengefederte Portalachsen für eine unerreicht hohe Bodenfreiheit
und geschützte Antriebswellen in Schubrohren als Schutz gegen
Beschädigungen im Einsatz sowie eine Ladefläche für eine Tonne Fracht.
Dem universellen Charakter entsprachen außerdem eine Schleppvorrichtung
am Heck, so dass der Unimog auch einen Pflug ziehen konnte und die
Möglichkeit, mehrere landwirtschaftliche Geräte antreiben zu können. Die
Höchstgeschwindigkeit lag bei 50 km/h.
Seit dem Produktionsstart vor 70 Jahren hat sich am Unimog-Prinzip
nichts geändert, und übrigens entdeckte das Militär dann doch ziemlich
schnell die universellen Einsatzmöglichkeiten des Alleskönners. Als
Erste griffen bereits im September 1950 die Schweizer Militärs zu und
sicherten sich eine kleine Unimog-Flotte. Denn dank des speziellen
Fahrwerks mutiert der sperrige Unimog bei Bedarf zu einem
Kletterkünstler, der kein Gelände fürchtet. Und das ganz ohne
elektronische Unterstützung im Gelände. „Elektronischen Schnickschnack
benötigen wir nicht im Gelände. Wir brauchen nur vier Dinge:
Differenzialsperren, Allrad, Gas und Kupplung“, erklärt ein
Unimog-Sprecher. Natürlich hilft auch die Kraftübertragung, bei der
sechs der aktuellen acht Gänge vorwärts und rückwärts eingesetzt werden
können. So kann sich der Unimog wie einst Baron Münchhausen mit eigener
Kraft aus jeder kniffligen Situation befreien.
Gibt es also irgendetwas, das der Unimog nicht kann? „Er kann nicht
fliegen“, antwortet Karl Josef Leib, Leiter des Unimog-Museums in
Gaggenau kurz und bündig. Und wie lange hält so ein Unimog. „Kann man
nicht sagen, er wird ja erst seit 70 Jahren gebaut. Ein Unimog wird
nicht verschrottet, er wird vererbt.“ In der Tat haben sich die
Alleskönner-Gene des Universal-Motorgeräts in den vergangenen
Jahrzehnten nicht verändert. Die beeindruckende Demonstrationsfahrt in
einer Kiesgrube nahe Gaggenau absolviert ein 41 Jahre alter Unimog
genauso souverän wie später ein aktuelles Modell, das in seinem Tank als
Feuerwehrfahrzeug 4000 (als Viersitzer) oder 6000 Liter (als
Zweisitzer) Löschwasser transportieren kann. Lediglich der Komfort hat
sich in den vergangenen Jahrzehnten deutlich verbessert, und auch die
Leistung des Antriebs steigerte sich von ursprünglich bescheidenen 25 PS
auf aktuelle 156 bis 299 PS.
Und wenn der unbedarfte Beifahrer denkt, jetzt ist es aus, das kann er
nicht schaffen, klettern der Alte wie der Neue einfach die
80-Grad-Steigung hinauf und legen sich bei der Wasserdurchfahrt
genüsslich auf die Seite, so dass man sich innerlich schon auf eine
erfrischende Abkühlung gefasst macht. Dann passiert – nichts. Dank des
flexiblen Fahrwerks nimmt der Unimog wieder seine aufrechte Position ein
und rollt souverän über das nächste Hindernis.
„Wir haben die ursprünglichen Gene bis heute nicht verändert. Das
brauchen wir auch nicht“, erklärt der Unimog-Sprecher. Seit Oktober 1950
gehört der Unimog zu Daimler und wird inzwischen im Lkw-Werk Wörth
produziert. Pro Jahr werden dort rund 2000 Exemplare hergestellt. Bisher
wurden insgesamt rund 400 000 Unimogs in alle Teile der Welt geliefert.
Ein Ende ist nicht abzusehen – nur eins ist sicher. Einen
elektrifizierten Unimog wird es in absehbarer Zeit nicht geben.
Text: ampnet/Walther Wuttke
Kommentare
Kommentar schreiben
Um einen Kommentar zu verfassen, müssen Sie angemeldet sein.
Noch nicht registriert? zur Registrierung
Das könnte dich auch interessieren: