Exklusiv: Historie und Histörchen (64): Auch eine Begrüßung
Eine solche Begrüßung hatte im Nachkriegs-Deutschland noch keine Auto-Neuerscheinung erlebt. Die angesehene Auto-Fachzeitschrift „mot“ brachte im Januar/Februar 1968 einen Kommentar ihres unvergessenen Chefredakteurs Dr. Paul Simsa mit der Überschrift: „Wir bitten Ford – erspart ihn uns“. Was der Welt-Konzern Ford den Deutschen ersparen sollte, war das neueste Modell des Ford Escort. Ford-Köln hatte bisher nur Mittelklassewagen geliefert, wollte aber – wie Konkurrent Opel mit dem Kadett – endlich auch mit einem Kleinwagen in der Volkswagen-Klasse Furore machen.
Das erste Modell, das im Ford-Werk in Saarlouis nach Start der Produktion 1970 vom Band lief, war ein Escort. Foto: Ford
Den Wünschen den Konzern-Chefs Henry Ford II folgend, sollte dieser
Kleinwagen sowohl in der Großbritannien wie auch in Deutschland gebaut
werden. Henry Ford träumte damals erstmals von einem Auto, das weltweit
in allen Ford-Werken entstehen sollte. Als Nachfolger des Ford Anglia
mit der senkrecht stehenden Heckscheibe wollte Ford erstmals den Sprung
aufs Festland wagen.
In England begann die Produktion am 17. November 1967. Und die
englischen Käufer nahmen den Escort recht gut auf. Schon im Juni 1968
lief das 100 000 Exemplar vom Band. Im Februar 1968 wurde der Escort dem
europäischen Publikum zum Brüsseler Automobilsalon vorgestellt. Doch
nun geriet der kleine Engländer ins Visier der Deutschen, vor allem der
deutschen Journalisten. Die 3,90 m lange Stufenheck-Limousine trug die
damals modische Cola-Flaschen-Form. Die zeigte über den Hinterrädern
einen kleinen Buckel und war schon vom Opel Olympia, vom Opel Kadett und
von fast allen amerikanischen Autos her bekannt. Doch dann hörte die
Mode auf.
Während Volkswagen und der gesamte Wettbewerb ihr Programm von
Heckantrieb auf Frontantrieb umstellte, trug der Escort weiterhin
Hinterradantrieb und erntete damit Minuspunkte. Während Volkswagen sogar
seinem Käfer endlich größere Seitenfenster bot, gab es beim Escort
dicke Dachpfosten und damit kleine Seitenfenster. Während Volkswagen,
die damals beim Käfer eher nicht dem Fortschritt folgten, ihrem Käfer
einen Innenraum verpassten, in dem – außer am Armaturenbrett - nicht
mehr lackiertes Blech, sondern Kunststoff-Verkleidung sichtbar war,
zeigte der brandneue Escort innen viel lackiertes Blech.
Im Bug arbeitete eine ruhig laufende Vierzylinder-Maschine, die aber
noch aus dem Anglia stammte und im Gegensatz zum platzsparenden
Quereinbau noch längs im Motorraum saß. Was das Journalisten-Publikum
aber noch mehr aufregte, war die starre Hinterachse des Escort, die nach
alter Pferdekutschen-Art an Blattfedern hing. Dem Escort fehlten die
damals gerade neuesten Sicherheits- und Komfortdetails, wie die geteilte
Lenksäule und eine zweigeteilte Kardanwelle zum vibrationsfreieren
Lauf. Der Motor – sonst ein zuverlässiger Bursche – zeigte in den
Wintermonaten auch noch kurzzeitige Vergaser-Vereisung, wie sie die
Automodelle der 50er Jahre ertragen mussten.
Entsprechend mäßig war die Nachfrage, als am 16. Januar 1970 die
Produktion im Ford-Werk Saarlouis anrollte. Ausgeglichen wurde der
Misserfolg des Escorts durch den riesigen Verkaufserfolg des neuen Ford
Capri. Die Ford-Männer waren damals sehr verärgert über die deutschen
Verbraucher, weil die die Zuverlässigkeit und Anspruchslosigkeit des
kleinen Ford nicht zu würdigen wussten.
Im September 1969 wurde der Escort auch als Viertürer geliefert. Walter
Hayes, Oberster Öffentlichkeitsarbeiter bei Ford England und angeblich
guter Freund von Henry Ford II., hatte die Idee, den Escort mehr in den
Motorsport zu integrieren. Im Juni 1973 ließ er den Escort mit einem
Zwei-Liter-Vierzylinder aus den größeren Ford-Modellen ausrüsten. Damit
war ein preisgünstiges Kraft-Paket geboren, mit dem viele Privatfahrer
Siegeslorbeeren einfuhren. Im Rückblick zeigte sich, dass die
Motorsport-Geschichte des blassen Escorts länger strahlte als die lauen
Produktionszahlen.
Doch Ford konnte mit diesem Auto im Markt keine Lorbeern gewinnen.
Deshalb wurde schon 1977 mit der Konstruktion eines Nachfolgers
begonnen. Diesmal mit Frontantrieb, mit Quermotor, mit Schrägheck und
hinterer Einzelradaufhängung.
„Wir bitten Ford – erspart ihn uns“. So mutig waren die Auto-Tester in
den 70er Jahren. Auto-Tester Paul Simsa hat sich nicht nur damit ein
Denkmal geschaffen. Ganze Generationen von Motorjournalisten nennen ihn
als Vorbild oder haben ihr Handwerk bei ihm gelernt.
Text: ampnet/Hanns-Peter von Thyssen und Bornemisza, cen
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