Das Auto, das seiner Zeit ein halbes Jahrhundert voraus war
Unmittelbar nach Ende des Zweiten Weltkriegs stand der US-amerikanische Flugzeugbauer Beechcraft ebenso wie seine Konkurrenz vor einem Problem. Nachdem die Schlachten in Europa und rund um Japan geschlagen waren, hatte das Unternehmen nicht nur massive Kriegsgewinne eingefahren, sondern auch außergewöhnliche Fortschritte in der Flugzeugtechnik gemacht. Doch jetzt war es mit den lukrativen Verteidigungsaufträgen vorbei. Könnte nicht das neu gewonnene Know-how auch in einem Auto funktionieren? Aus dieser Überlegung entstand ein Prototyp namens Beechcraft Plainsman (Flachländer).
Nach Eintritt der Vereinigten Staaten in den Zweiten Weltkrieg Anfang
Dezember 1941, hatte zwei Monate später auf Order aus Washington die
Produktion von Autos für zivile Kunden in Detroit aufgehört. Von den
Montagebändern durften vom 1. Februar 1942 an bis Kriegsende nur mehr
Fahrzeuge für die militärische Rüstung rollen. Entsprechend groß waren
der Nachholbedarf und die Nachfrage ab Mitte der 1940er Jahre.
Verständlich, dass Beechcraft auch von diesem Boom profitieren wollte.
Der aus diesen Überlegungen entstandene Beechcraft Plainsman ähnelte
stark den damals häufig projektierten Fahrzeugen für Straßen- und
Luftverkehr - mit zwei entscheidenden Unterschieden: Er konnte nicht
fliegen und hatte nur einen kleinen Benzin-Boxermotor aus einem
Flugzeug. Der setzte einen Generator in Bewegung, dessen Strom vier
Elektromotoren an den einzelnen Rädern antrieb. So etwas feiert heute
unter der Bezeichnung Hybrid eine Wiedergeburt.
Der Plainsman sollte für mit einem für damalige Zeiten sensationellen
Spritverbrauch von 7,8 Liter/100 km auskommen. Seine leichte,
stromlinienförmige Aluminiumkarosserie brachte nur knapp 1000 Kilo auf
die Waage, die Höchstgeschwindigkeit gab Beechcraft mit 250 km/h an, was
Ende der 1940er Jahre in den USA, als es dort noch keine, den deutschen
Autobahnen ähnliche Schnellstraßen gab, ein illusorischer Wert war. Zum
Bremsen traten die Generatoren in Aktion, die dafür die Pole wechselten
- aus Plus wurde Minus und umgekehrt.
Das Auto von damals ähnelte technisch dem heutigen Plug-in-Hybrid
Chevrolet Volt von General Motors und verfügte über eine Reihe von
Extras, die erst viele Jahre später Standard wurden. Dazu gehörten ein
höhenverstellbares Fahrwerk, eine Verbrauchsanzeige auf der
Armaturentafel und sogar eine Antenne oberhalb der Windschutzscheibe für
ein drahtloses Telefon - eine weitere radikale Idee für 1946. Der
Innenraum wurde mit reichlich Polsterung und ohne scharfkantige Ecken
entworfen, um Sicherheit zu gewährleisten. Auf die Idee von
Sicherheitsgurten scheint aber damals seltsamerweise niemand gekommen zu
sein.
Bei der Vorstellung der Plainsman-Studie kündigte Beechcraft an, dass
der Preis dem eines Cadillac entsprechen würde. Spätere Studien kamen
allerdings zu dem Schluss, dass der Wagen tatsächlich doppelt so teuer
werden müsste, um mit ihm wirtschaftlich einigermaßen über die Runden zu
kommen.
Möglicherweise war das Beechcraft-Management nicht besonders unglücklich
darüber, dass bald darauf der Kalte Krieg zwischen West und Ost begann.
Nun füllten wieder Bestellungen für Flugzeuge die Auftragsbücher, der
Plainsman geriet in Vergessenheit. Niemand weiß, was mit dem Prototyp
von einst geschehen ist. Nur ein paar alte Fotos von ihm sind übrig
geblieben. Er bleibt nur eine Fußnote in der Automobilgeschichte - eine
Idee, die ein halbes Jahrhundert zu früh entstanden ist.
Text: ampnet/Hans-Robert Richarz
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