Im Bücherregal: Die wilden Zweirad-Jugendjahre in den Siebzigern
2017 verschwand mit dem Peugeot Vogue das letzte Mofa und Moped klassischer Bauart vom deutschen Markt, 2018 fuhren Lars Eidinger und Bjarne Mädel mit 25 km/h im gleichnamigen Film über die Leinwand, und im September 2019 erschien ein Buch über die „Schnapsglasklasse“, das offenbar einen Nerv traf, denn es war rasch vergriffen. Nun ist es nach neuerlichem Druck wieder lieferbar.
In „Jungs, Eure 50er" lässt Frank Rönicke die Zweiradzeit der Jugend in
den siebziger Jahren wieder lebendig werden. Es war die große – und
letzte – Zeit von Kreidler, Hercules und Zündapp, aber auch von
Herstellern wie Garelli, Solo und Mobylette (Motobécane). Die
Österreicher waren mit Puch zeitweise Weltmarktführer in der
50-Kubik-Klasse. Und es war eine Epoche, in der man das Mofa oder Mokick
im Versandhauskatalog bestellen konnte.
Die Kleinkrafträder hingegen mutierten damals zu kleinen Motorrädern. So
sprach Kreidler 1975 von sich aus in der Werbung von „Motorräder -
Mokicks - Mopeds - Mofas“, obwohl kein einziges Fahrzeug der
Kornwestheimer mehr als 50 Kubikzentimeter Hubraum hatte. Der technische
und optische Anspruch an die kleinen Krafträder bedeutete letztendlich
auch ihren Untergang. Trotz der irgendwann eingeführten
Selbstbeschränkung auf 6,25 PS boten die kleinen Maschinen ja immer noch
eine Liter-Leistung von 127 PS! Teure Gimmicks wie die Wasserkühlung
waren unnötig und reduzierten allenfalls ein wenig den Lärmpegel der
Zweitakter, die Versicherungsprämien schossen in astronomische Höhen.
Parallel boomte ab Mitte des Jahrzehnts das Mofa-Segment und gipfelte
zum Beispiel in der Kreidler Flory mit Drei-Gang-Handschaltung und
Drehzahlmesser – bei erlaubten 25 km/h Höchstgeschwindigkeit. Fantic
wiederum bot mit dem TX 130 einen waschechten Chopper als Mokick und
Kleinkraftrad an. Was für Zeiten! Auch der Verfasser dieser Zeilen
erinnert sich bis heute noch gut daran, wie er sich Mitte der Siebziger
am Laden von Detlev Louis in der Rentzelstraße in Hamburg die Nase am
Schaufenster platt gedrückt hat: Objekt der Teenager-Begierde war eine
weiße Malaguti Fifty, deren Rahmenrohr auch gleich den Tank bildete und
die rund 1700 D-Mark kosten sollte.
Angesichts der damaligen Modellvielfalt belässt es der Autor
dankenswerterweise bei einem groben Überblick, ohne im Einzelfall zu
sehr ins technische Detail zu gehen. Er erinnert an das Aufkommen der
Japaner auch in der 50er-Klasse ebenso wie an die DDR-Erzeugnisse von
Simson. Und beinahe schon vergessen ist, dass Solo mit dem Electra
Anfang der 1970er-Jahre der erste und einzige Anbieter eines
Elektro-Mofas weltweit gewesen ist! Noch weniger bekannt sein dürften
Ostblock-Marken wie Balkan, Komar oder Riga, die Frank Rönicke ebenfalls
vorstellt. „Jungs, Eure 50er“ lebt aber vor allem vom zeitgenössischen
Bildmaterial, auf dem nicht selten nicht die Jungs, sondern Mädchen zu
sehen sind.
„Jungs, Eure 50er“ von Frank Rönicke ist im Motorbuch-Verlag Stuttgart
erschienen. Das Buch hat 96 Seiten mit 168 Bildern und kostet 12,95
Euro.
Text: ampnet/jri
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