Im Bücherregal: Die DS oder die Formen einer Göttin
Über kaum ein Automobil sind so viele Bücher geschrieben worden wie über die DS von Citroën. Der Schweizer Architekt Christian Sumi widmet sich in seinem Buch „The Goddess – La Déesse“ der DS von der kreativen Seite und konzentriert sich vor allem auf die Form.
Die später zur Göttin erhobene Limousine (DS spricht sich auf
Französisch wie Déesse aus) sprengte im Jahr 1955, als sie auf dem
Pariser Salon zum ersten Mal der Öffentlichkeit gezeigt wurde, die
Grenzen des automobilen Designs. Bis zu diesem Datum herrschte noch die
konventionelle Formensprache, die aus den drei Elementen Motorhaube,
Passagierabteil und Kofferraum bestand. Die fließenden Formen der
futuristischen Citroën-Limousine beendeten dieses Konzept.
„The Goddess - La Déesse“. Buch: "The Goddess - La Déesse" von Christian Sumi. Foto: Auto-Medienportal.Net/Lars Müller Publishers
Am Anfang der Entwicklung stand Ende der Dreißiger Jahre der Auftrag an
den italienischen Designer Flamino Bertoni der bereits den für seine
Zeit ebenfalls revolutionären Traction Avant für Citroën entworfen
hatte, eine weitere Limousine zu entwerfen. Der Zweite Weltkrieg
verhinderte die Vollendung und der Traction Avant wurde schließlich
unverändert bis 1957 weitergebaut. Bereits die ersten Zeichnungen für
dieses nie verwirklichte Modell, so belegt Sumi in seinem Buch, zeigen
Elemente, die später in der DS wieder aufgenommen wurden.
Offensichtlich hatten die Kreativen in jenen Jahren deutlich mehr Zeit
als heute, denn erst 1955 stand die endgültige Form auf ihren Rädern.
Zuvor musste das Heck noch überarbeitet werden, denn „das
Stromliniendesign hatte eine deutliche Verringerung de Kopfraums hinten
zur Folge,“ beschreibt Sumi die Änderung des Designs in letzter Minute.
Schneller waren die Designer beim Cabriolet, das bereits ein Jahr vor
der Limousine seine endgültige Form erhielt. In dem mit zahlreichen
Zeichnungen illustrierten Buch zeichnet Sumi den Weg zur Serienversion
nach und beschreibt die Entwicklung aus der Sicht des Architekten.
Mit seinen Anmerkungen erklärt er die ästhetischen Lösungen, die Bertoni
entwickelte, um seiner Formgebung zu einem einheitlichen Auftritt zu
verhelfen. In einem Interview erklärt der Designer, wie er die Form der
Limousine gefunden hat. „Die DS“, so Bertoni, war von einem Fisch
beeinflusst.“ Sumi spart in seinem interessanten Buch auch weitgehend
unbeobachtete Details wie zum Beispiel die an der C-Säule platzierten
Blinker nicht aus.
Jedes Detail, das zum dynamischen Auftritt der Limousine beiträgt, wird
von dem Architekten ausführlich dargestellt. Zum Beispiel der damals
ungewöhnliche Verzicht auf einen Kühlergrill. Die Entwickler hatten, dem
Wunsch der Designabteilung folgend, die Lufteinlässe unterhalb der
Frontstoßfänger verlegt, sodass nichts die Aerodynamik stören sollte.
Dass die DS einen heute wenig überzeugenden Cw-Wert von 0,38 erreichte,
verschweigt Sumi. Für die damalige Zeit war der Wert allerdings durchaus
beachtlich. Nur die Kühlöffnungen für den Innenraum blieben als Teil
der Stoßfänger sichtbar.
Allerdings demonstriert Sumi auch, dass die Idee des „verschwundenen
Kühlergrills“ nicht allein bei Bertoni entstanden ist. Der legendäre
amerikanische Designer Raymond Loewy hatte diesen Weg bereits 1953 beim
Studebaker Commander Starliner beschritten. „Beide Modelle“, so Sumi,
„unterdrücken das Kühler-Gesicht und zerstören so das klassische
Kühlermotiv.“ Studebaker verließ nur zwei Jahre später der Mut und
kehrte zum klassischen „Autogesicht“ zurück.
Ein ausführliches Kapitel widmet Sumi den Bemühungen, die Form der DS zu
aktualisieren. 1967 erlebte das Modell seine erste und letzte
Überarbeitung. Die abgebildeten Zeichnungen aus der Pariser
Designabteilung sind dabei eine Mischung aus Geschmacksverirrung und
geglückter Integration von neuen Designelementen. Tatsächlich wurde ein
Entwurf des späteren Chefdesigners Robert Opron teilweise beim Citroën
SM übernommen. Zum Glück setzten sich damals die Kreativen durch, die
auf eine behutsame Aktualisierung setzten und vor allem die Frontpartie
überarbeiteten. Das Ergebnis waren die hinter einem Glasschutz
platzierten Scheinwerfer, mit denen die fließenden Formen verstärkt
wurden.
Neben den Betrachtungen der Ästhetik beschäftigt sich Sumi in seinem auf
Englisch geschriebenen Buch auch mit der hydropneumatischen Federung
der DS und der Werbung für die Limousine, die ebenfalls neue Wege ging.
Und am Ende des Buchs spaziert der Autor mit seiner Kamera über diverse
DS-Friedhöfe und demonstriert, dass auch Göttinnen sterblich sind.
Das Buch „The Goddess – La Déesse Investigation on the legendary Citroën
DS“ von Christian Sumi ist im Verlag Lars Müller Publishers erschienen.
Das Buch hat 228 Seiten und kostet 35 Euro.
Text: ampnet/ww
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