Im Bücherregal: Glanz und Niedergang der britischen Autobauer
René Staud versteht es wie kein anderer Fotograf automobiles Blech ins glänzende Licht zu setzen. In seinen Bildern fängt er den Charakter der abgebildeten Modelle ein, und der Betrachter begreift, dass Staud nicht nur ein begnadeter Fotograf ist, sondern auch ein großer Liebhaber der Materie. Für sein jüngstes Buch „Britische Klassiker – Best of René Staud“ griff der Fotograf tief in sein Archiv.
Der Bildband zeigt auf mehr als 200 Abbildungen Stauds besondere
Vorliebe für die britischen Marken, die zum Teil längst untergegangen
sind. Und das verleiht dem Buch zugleich einen wehmütigen Charakter,
denn beim Blättern wird schnell deutlich, was für begeisternde Modelle
einst auf der Insel gebaut wurden, die vor allem in den Siebziger Jahren
zwischen einer verirrten Industriepolitik und blindwütigen
Gewerkschaftern zerrieben wurden. Schnell stellt sich der Leser die
Frage: Was wäre, wenn…
„Britische Klassiker – Best of René Staud“ von René Staud und Halwart Schrader. Foto: Auto-Medienportal.Net/Motorbuch-Verlag
Neben den „üblichen Verdächtigen“ wie Jaguar, McLaren oder Range Rover
paradieren auf den Seiten zum Beispiel Modelle von Alvis – eine heute
nur noch Experten bekannte Marke, die einst sogar Rolls-Royce Konkurrenz
machte und die 1967 sang und klanglos verschwand. Neben den glanzvollen
Fotografien haben es die erklärenden Texte von Oldtimer-Experte Halwart
Schrader durchaus schwer, doch lohnt sich die Lektüre ebenso wie die
optische Wahrnehmung. Zusammen genommen entsteht erst das vollständige
Bild.
Dass René Staud eine besondere Vorliebe für die Modelle aus dem Hause
Aston Martin und Jaguar hat, zeigt der üppige Platz, der den beiden
Marken eingeräumt wird. In seiner optischen Aufbereitung der Sportwagen
von Austin Healey lässt der Fotograf den Betrachter Anteil an der
Restaurierung seines eigenen Austin-Healey 3000 Mk III nehmen, der, in
einer Schweizer Scheune gefunden, nach 1500 Arbeitsstunden und ebenso
vielen Ersatzteilen wieder im alten Ganz strahlt. Es gehört zum Talent
von Staud, dass seine Abbildungen zwar auf Hochglanz gearbeitet sind,
jedoch nie steril wirken. Im Gegenteil – die in Szene gesetzten Modelle
zeigen ihre Eigenschaften und erwecken im Betrachter den Wunsch nach
ihrem Besitz, wohlwissend, dass dieser Wunsch unerfüllbar bleibt.
Neben Bentley und Lagonda sowie Lotus verdient sich auch Morgan als
letzte urbritische Marke ihren Platz in Stauds Band einen Platz. Die
Modelle aus Mavern Link vereinen in sich die mitunter skurrile Sturheit
britischer Hersteller, die einfach nur ihren eigenen Stil verfolgten und
sich von den technischen Entwicklungen nur bedingt beeinflussen ließen.
Während Morgan bis heute als in Blech gefasster Dinosaurier überlebt,
verschwand Singer 1970 vom Markt. Bereits 1925 hatte der Hersteller
einen Sportwagen mit Frontantrieb vorgestellt – lange vor Citroën. Dass
die Modelle der Marke ihren Platz in Stauds Buch verdient haben, zeigen
die Fotos. Auch Triumph, einst für seine klassischen Roadster berühmt
und später wenig erfolgreich mit sportlichen Limousinen unterwegs,
verschwand 1984 dank der „fürsorglichen“ Londoner Politik. Modelle wie
der TR 6 oder TR 4 können allerdings auch heute noch begeistern.
Eine der seltsamsten Erscheinungen der britischen Autohistorie stammt
von Wolseley, ein einstmals traditionsreicher Hersteller, der jedoch im
staatlichen Konzern British Leyland an Bedeutung verlor und irgendwann
verschwand. Der Wolseley Hornet kam in den Sechziger Jahren als
Nobel-Ausgabe des Mini auf den Markt und besaß eine vergleichsweise
luxuriöse Ausstattung plus Stufenheck, nachdem damals niemand gefragt
hatte. Deshalb war auch nach kurzen drei Jahren Schluss für den
Nobel-Mini.
Bildbände erleiden nicht selten das Schicksal, dass sie nach dem ersten
Betrachten im Bücherregal vergessen werden. Dieses Schicksal wird dieser
Band von Staud und Schrader gewiss nicht erleben, denn bei jedem
Aufschlagen entdeckt der Betrachter neue Aspekte.
„Britische Klassiker – Best of René Staud“ von René Staud und Halwart
Schrader ist im Motorbuch-Verlag Stuttgart erschienen. Das Buch hat 232
Seiten mit ca. 220 Abbildungen und kostet 49,90 Euro.
Text: ampnet/ww
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